Weitere Infos zur Geschichte

Gründung der Radfahrer-Truppe

nachfolgende Ausführungen stammen von Peter Morger, alle Informationen ohne Gewähr.

1881 gründeten Velopioniere in Basel den Velo-Club Basel. Am 30. September 1883 formierte sich im Hotel du Pont in Brügg bei Biel der Velocipedisten-Bund. Dieser wurde dann im Jahre 1885 in Schweizerischer Radfahrer-Bund umgetauft. Als Vereinsorgan gab man fortan «der Schweizerische Radsport» heraus.

Der damalige Chef des Eidgenössischen Generalstab-Büros, Oberst-Divisionär Alphons Pfyffer von Altishofen (1834 – 12.01.1890), war Förderer und Befürworter von ersten Radfahrer-Versuchs-Detachements.

1887 schlug der Schweizerische Radfahrer-Bund dem Eidgenössischen Militärdepartement vor, seine Mitglieder irgendwie in den militärischen Betrieb zu integrieren. Noch im gleichen Jahr (September 1887) nahmen ein Detachement von 20 Personen des Schweizerischen Radfahrer-Bundes in zivilen Kleidern (nur mit einer Armbinde gekennzeichnet) und mit ihren persönlichen Fahrrädern (Hochräder) freiwillig an militärischen Übungen in den Stäben der VI und VII Division als Meldefahrer in der Region Elgg-Wil-Frauenfeld teil. Und zwar mit befriedigendem Ergebnis, weshalb Oberstdivisionär Hermann Bleuler dem Militärdepartement meldete, der Einsatz der Radfahrer im Militär sei prüfenswert und nützlich.

1888 fand bei den Herbstmanövern der Truppenzusammenzug der IV und VIII Division im Raume Langenthal-Huttwil-Ettiswil statt. Die Meldefahrer kamen wiederum vom Schweizerischen Radfahrer-Bund und benutzten ihre privaten Nieder-Fahrräder. Der VIII Division standen 6 Radfahrer zur Verfügung. Und zwar vom Velo-Club Neumünster und vom Bicycle-Club Zürich. Die ersteren kleideten sich im Zeughaus Zürich ein, die anderen benutzten ihr schmuckes Club-Kostüm mit Tropenhelm. – Der IV Division standen 12 Radfahrer aus Basel zur Verfügung. Sie kamen mit ihren privaten Rädern vom Velo-Club, dem Bicyclle-Club sowie dem Cyclist`s Club.

Auf Grund des erfolgreichen Manöver-Einsatzes der Velofahrer als militärische Meldefahrer veranlasst das eidgenössische Stabsbüro (Oberst-Divisionär Pfyffer) am 30.1.1889 einen Antrag an den Bund zur Beschaffung von 6 geeigneten Velos für den militärischen Einsatz. Und zwar von der Marke «Frankenburger und Ottenstein» der Velocyped-Fabrik Nürnberg. Dieser wurde umgehend von Bundesrat Walter Hauser, Chef eidg. Militär-Departement, genehmigt.

Im Jahre 1889 wurden die Versuche mit freiwilligen Velo-Fahrer als militärische Melde-Fahrer in Manövern der III. und V. Division weitergeführt.

1890 wurden bei den Manövern des 1. Armeecorps den Einheiten entnommene Freiwillige (Soldaten) als Radfahrer verwendet. Jeder Radfahrer hatte somit eine militärische Grundausbildung in einer Rekruten schule erhalten.  

Die neue Truppengattung stiess teils auf Skepsis. (so etwa bei der etwas abgehobenen Kavallerie). Im Geschäftsbericht des Eidgenössischen Militärdepartements stand 1895 folgende Bemerkung: «Die Radfahrer zeigten sich zum Teil als zu wenig «discipliniert» und in der Ausübung ihres Dienstes nicht zuverlässig genug.» Und weiter: «Dank der Schnelligkeit ihres Stahlrosses waren unsere Radfahrer meist sehr rasch den Blicken ihrer Obersten entschwunden und hatten sich in den Wirtshäusern eingenistet, aus denen sie nicht so leicht wieder herauszubringen waren» ! Doch allmählich verstummte der letzte Kritiker und die Radfahrer wurden als gleichwertige und anerkannte Militär-Personen von allen Waffen-Gattungen anerkannt.

Auf den rechten Bildern sind zwei solcher Privatvelos zu sehen, welche die Melde-Radfahrer im Dienst-Einsatz bei der VIII. Division anfänglich benutzten, nämlich ein französisches Fahrrad und ein deutsches 2-Gang Kardan-Velo der Marke Dürkopp.

Am 11. Januar1903 wurde der Verband Schweizerischer Militärradfahrer in Zürich gegründet.

Bundesgesetz von 1891

Am 15. Februar 1891 gelangte das Generalstabs-Büro mit dem ausgearbeiteten Entwurf betreffend die Verwendung von Velocipedisten in der Schweizer Armee an das Militärdepartement. Und am 1. Dezember 1891 nahm der Chef des eidgenössischen Stabsbüros. Oberst Arnold Keller, zu diversen Artikeln und Tragweiten des Entwurfes Stellung gegenüber dem Militärdepartement zu Handen der nationalrätlichen Kommission. – Am 18. Dezember 1891 beschloss der Ständerat und am 19. Dezember 1891 der Nationalrat das Bundesgesetz betreffend die Einrichtung von Radfahrerabteilungen. Nach Ablauf der Referendumsfrist gab das eidgenössische Militärdepartement sofort den Kantonen das Anforderungsprofil für die Aushebung der Radfahrer-Rekruten bekannt. Der Bewerber musste eine Mindestgrösse von 153cm haben, eine halbe Sehschärfe besitzen und Übung im Radfahren sowie eine Marschfähigkeit aufweisen. Zudem hatte er

  • eine zweirädrige Fahrmaschine mit niedrigem Sitz (Bicyclette) zu besitzen.
  • das Fahren auf Distanz mit Ausdauer zu beherrschen.
  • eine Rekrutenschule bei der Infanterie oder einer anderen Truppengattung absolviert haben.
  • körperliche Fähigkeit zum Radfahrerdienst nachweisen können, wobei nach Art. 4 des Bundesgesetzes von 1891 auch solche Leute berücksichtigt werden können, die aus irgend einem Grunde dienstuntauglich waren.
  • Sekundarschulbildung zu besitzen (!).

Die Kantone mussten bis zu 10. April 1892 ihre Anmeldelisten dem Generalstabs-Büro zuzustellen.

Rekruten-Schulen

Und am 23, Juni 1892 erliess Oberstleutnant i.Gst. Eduard Leopold als designierter Kommandant der ersten Radfahrer-Rekrutenschule in Bern den Dienstbefehl an die Teilnehmer:: «für die Radfahrer-Rekruten gelten die Bestimmungen des Berner Strassenpolizei-Gesetzes vom 21. März 1834 sowie das Dekret vom 1. und 2. März 1858 betreffend die Strafbestimmungen über Widerhandlungen gegen Verordnungen, Reglemente und Beschlüsse des Berner Regierungs-Rates».

Am 31.8.1892 begann der erste dreiwöchigen Radfahrer-Kurs in Bern. Er dauerte bis zum 20.9.1892 und hatte 215 Teilnehmer (aus 21 Kantonen), die alle ihre privaten Fahrräder mitnehmen mussten. Alle diese Männer hatten zuvor eine sieben Woche dauernde Grundausbildung bei der Infanterie, Kavallerie, oder Sanität absolviert. – Sechs Teilnehmer brachen vorzeitig den Kurs ab.

Den Kurs leitete Oberst i.Gst. Eduard Leopold mit 6 weiteren Generalstabsoffizieren und 6 Truppenoffizieren. Es gab 2 französisch sprechende und 4 deutsch sprechende Sektionen.

Ziel der Ausbildung war der militärische Einsatz im Verbindungs- und Übermittlungs-Dienst.

Es gab Anforderungen an den zukünftigen Rekruten. Der Teilnehmer an der Rekruten-Schule hatte so einzurücken, dass er einhändig fahren und auf Kommando links auf- und absteigen konnte. Zudem musste das mitgebrachte private Fahrrad mit einem Werkzeugtäschchen (mit Ölkanne, Schraubenzieher oder Soldatenmesser und englischem Schlüssel) versehen sein. Eine Signalvorrichtung am Velo war vorgeschrieben, wobei ein Signalhorn gegen über der Glocke vorzuziehen sei. Auch war eine Laterne mitzubringen. Hingegen wurden Gepäckträger, Laternenhalter und Pedalenstütze abgegeben. Schlussendlich hatte der Einrückende auch ein Dienst-Notizbuch mitzubringen. Weil der Einrückende schon zuvor in einer anderen Truppengattung Dienst tat, musste er ohne Gewehr und Munition aber mit dem Seitengewehr (Säbelbajonett) in die Rekrutenschule einrücken. Besass er noch ein Käppi nach alter Ordonanz, musste er dieses auf dem kant. Waffenplatz gegen ein solches mit zweiteiligem Schirm eintauschen. Die Rekruten trugen Infanterie-Kleidung mit einer besonders zweckmässigen Uniform und hatten eine Pistole als Waffe.

In der Kaserne wurde eine Reparatur-Werkstätte durch die Firma Burger & Heimlicher, Bern, eingerichtet und die Kosten des Radfahrer-Kurses beliefern sich insgesamt (inkl. Instruktion und Kasernement, usw.)auf ganz genau Fr. 35’752.66.

Weitere 22-tägige Radfahrer-Kurse gab es dann 1896 in Basel, 1899 in Bern, 1902 in Bern, 1905 in Yverdon und auch 1907 in Yverdon. Alle Radfahrer-Kurse von 1892 – 1907 fanden unter der Leitung der Generalstabs-Abteilung statt.

Anschliessend an die Radfahrer-Kurse rückten die ausgebildeten Radfahrer-Soldaten in die Wiederholungskurse ein und bildeten jeweils kleine Detachements von maximal 15 Wehrmännern (anfänglich mit ihren eigenen Velos). Ihren Einsatz hatten diese Dienstpflichtigen meistens als Meldefahrer im Verbindungs- und Übermittlungsdienst.

1908 wurden die Radfahrer der Infanterie zugewiesen. Man führte darauf hin innerhalb einer normalen Infanterie-Rekrutenschulen 67-tägige Radfahrer-Rekrutenschulen durch.. Dies geschah erstmals 1908 in Liestal, dann 1909 in Zürich und 1910 in Genf/Lausanne.

Die erste selbständige Radfahrer-Rekrutenschule fand im Jahren 1911 in Liestal in der dortigen Kaserne statt.

1912 – 1916 Aufteilung der Radfahrer-Rekrutenschule divisions-weise auf die diversen Infanterie-Rekrutenschulen, nämlich 1912 in Liestal, Thun, Herisau, 1913 in Genf, Luzern, St. Gallen und 1914 in Bern, Zürich, Lausanne.

Es folgten dann Rekrutenschulen 1917 in Liestal, 1918 in Yverdon, 1920 in Yverdon, 1921 in Winterthur, 1922 in Chur, 1923 in ?, 1924 in Frauenfeld, 1925 in Yverdon und in St. Gallen.

Kaserne Winterthur

Von 1926 – 1971 waren dann die Radfahrer-Rekrutenschulen immer in Winterthur in der dortigen Kaserne untergebracht.

Kaserne Drognens

1972 bis 2001 wurden die Radfahrer-Rekruten-Schulen auf dem Waffenplatz Drognens bei Romont/FR (letzter Ort für Rekrutenschule der Radfahrertruppen) durchgeführt. Letzter Kommandant der Rdf.RS war Oberst i.Gst. Erwin Fasnacht

Vorläufer des Militärvelos

Radfahrer, die mit ihrem privaten Velo einrückten, mussten am Velo Signalhorn oder Glocke montiert haben und eine Werkzeugtasche mit Ölkanne mitführe. Ferner einen Schraubenzieher oder ein Soldatenmesser sowie einen englischen Schlüssel. Andererseits bekamen sie für die Dienstzeit eine Laterne mit Laternen-Halter, einen Gepäckträger und eine Pedalen-Stütze sowie ab 1898 für die Räder der Unteroffizieren und Soldaten eine Rahmentasche.

1887 (noch vor der ersten Radfahrer-Rekrutenschule 1892) setzte der Armee erstmals kleine Versuchs-Detachemente von Radfahrern ein, für die man 1889 bei der Firma Frankenburger & Ottenstein, Nürnberg, sechs Fahrräder anschaffte. Dies war die erste kleine Serie gleicher Prolog-Fahrräder der Armee.

Im Jahr 1894 liess die Armee fünf Militärvelos (so genannte Normal-Fahrräder mit Pneumatik-Bereifung) bei der Velofabrik Gustav Adolf Saurer in Arbon bauen. Geplant war eine Produktion von jährlich 20 Stück, die bei einem Einstandspreis von Fr. 400 für Fr. 300 an die Radfahrer abgegeben wurden. Doch die Nachfrage hielt sich in Grenze. Deshalb stellte die Firma Saurer 1896 die Normal-Fahrrad-Produktion ein. Auch ausländische Velos und italienische Klapp-Velos (Versuch 1902 – 1903) wurden gekauft, evaluiert und probeweise den Radfahrern abgegeben. Nebst diesen Velos wurden aber auch weiterhin die privaten Velos der Radfahrer in den Dienst mitgebraucht.

1896 – 1904 standen in der so genannten Übergangszeit unterschiedlichste Fahrrad-Marken und -Konstruktionen im militärischen Gebrauch Im Einsatz wurden die Velos teils stark beanspruch. Es gab immer wieder Pannen und Reparaturen, bei denen das geeignete Werkzeug und Material fehlten. Dies führte zu Störungen im Dienstbetrieb. Andererseits kamen allmählich Luftreifen und der Freilauf zum Einsatz. Die damit gemachten guten und schlechten Erfahrungen nutzte die technische Abteilung der Kriegsmaterialverwaltung zur Entwicklung eines für die Arme tauglichen Fahrrades.

1904 wurde von der technischen Abteilung der Kriegsmaterial-Verwaltung ein Anforderungs-Profil an mehrere Fahrradfabriken in der Schweiz abgegeben. Der Zweck war die Herstellung des so genannten Ordonnanz-Rades.

Eidgenössisches Normalrad 1904 (Ordonnanzfahrrad 05)

Auf Grund der 1903 veranlassten Versuchen mit den Normalfahrrädern und den geprüften ausländischen Fahrrädern in Kursen und Schulen durch das Militär-Departement konnte der technischen Abteilung der Kriegsmaterialverwaltung 1904 die Anforderung zur Herstellung eines Modells gegeben werden. Den Auftrag zur Erstellung desselben erhielt die Fahrradfabrik Schild & Cie., Madretsch-Biel. Im Sommer 1904 lag der Prototyp vor. Anfangs September gab die technische Abteilung der Kriegsmaterialverwaltung noch Abänderungs-Wünsche bekannt und bat um Preisofferte und den Zeitpunkt für den Liefer-Termin. Etwas später, als alles bereinigt war, erfolgte der Auftrag für vorerst 10 Fahrräder (ohne Pneumatiks, Laterne und Signalvorrichtung) an die Firma Schild & Cie. zum Lieferpreis von je Fr. 200.-. Bald bekamen nebst Cosmos auch Condor und Helvetia ihre festen Produktions-Aufträge zugeteilt.

Im Juli 1905 wurden die ersten 300 Ordonanz-Fahrräder dem Militär ausgeliefert, nämlich COSMOS Fahrrad-Nr. 1 – 150, HELVETIA Fahrrad-Nr. 151-225, und CONDOR Fahrrad-Nr. 226-300. Am 17. Juli 1905 erhielten die in Yverdon einrückenden Rekruten erstmals solche Ordonnanz-Fahrräder (in schwarzer Farbe) ausgehändigt.

Die Firma Gustav Adolf Saurer & Co, Arbon, (Helvetia-Räder) bekam 1904 vom Militär einen Fahrrad-Lieferauftrag, welche sie 1905 (75 Stück.) und 1907 (50 Stück.) erfüllte. Der Gang dieser Velos wurde aber als zu schwer beurteilt und von Militärstelle bemängelt. Weil der Mangel nicht behoben wurde, bekam die Firma Saurer ab 1907 keinen Lieferauftrag mehr, dafür die Firma Schwalbe AG (Gebr. Rüegg), Uster. Diese lieferte 1907 (40 Stck.) und 1908 (60 Stck.) die Ordonnanz-Räder vorerst unter dem Namen Rüegg und ab 1909 dann unter dem Namen Schwalbe ab.

Ab 1905 bauten, abgesehen von der Firma G.A. Saurer & Co, Arbon, (Helvetia-Räder), die nur 1905 und 1907 fürs Militär total 125 Velos lieferten, folgende Firmen die Ordonnanz-Velos für die Schweizer Armee (das Modell MO 05), nämlich die jurassische Firma Condor SA, Courvaifre von 1905-1988, die Firmen Schwalbe AG (Gebr. Rüegg) Riedikon/Uster von 1907-1951 und die Firma Cosmos (B. Schild & Cie. AG), Biel. von 1905-1979. Zusätzlich nahm auch noch die Firma Zesar AG, Nidau von 1945-1965, sowie die Maschinen-Fabrik Gränichen AG, Gränichen, von 1952-1959 an der Fahrrad-Produktion teil. Ab 1979 hatte nur noch die Firma Condor SA allein Militärvelo 05 hergestellt haben.

Die Firmen Zesar AG und Maschinenfabrik Gränichen AG produzierten insgesamt nur eine kleinere Anzahl Fahrräder für die Armee.

Von 1905-1988 wurden von den sechs oben erwähnten Fahrrad-Fabriken insgesamt mind. 68614 Velos für die Schweizer Armee produziert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es Ordonnanzfahrräder mit höheren Nummern gibt.

Alle Velos waren schwarz emailliert, mit Wulstreifen, Leerlauf, einer Vorderradpneubremse sowie einer Torpedo-Rücktrittbremse versehen, anfänglich aber ohne Licht und Glocke (letztere war nur Corps-Material). Zudem mit der Rahmentasche und einer Werkzeugtasche samt Werkzeug und Pumpe mit Pumpenhalter.

Technische Daten:

  • Gewicht 22.5 kg
  • Länge 1820 mm, Breite 565 mm, Höhe 1020 mm
  • Radstand 1140 mm
  • Rahmenhöhe 570 mm
  • Rahmenrohrdurchmesser 32 mm
  • Reifen 26 Zoll
  • Hinterradantrieb über die Kette auf die Torpedo-Freilaufnabe der Firma F. & S, Schweinfurt. Eine Kettenradumdrehung (Übersetzung) ergab eine zurückgelegte Distanz von 5.7 m.

Die Fahrrad-Fabrikanten lieferten ihre Velos serienweise gemäss Abruf an die KTA (Kriegs-Technische-Abteilung) in Bern und zwar inklusive zugeteilter Serien-Nummerierung, welche direkt an der Sattelrohrmuffe eingestanzt wurde.

Das Eidgenössische Zeughaus in Bern (Sektion Beschaffung) wies jeweils den einzelnen Zeughäusern (z.B. Kriens/LU, Rapperswil/SG, Seewen/SZ, Amsteg/UR, usw.) die notwendigen Fahrrad-Kontingente zu.

Gesetze und Vorschriften über die Fahrrad-Truppen

Erlasse, Gesetze, Vorschriften

  • 1892 Weisung «Fahrschule für die Militär-Radfahrer»
  • 1893 Dienstanleitung für die Radfahrer der Schweizer Armee
  • 11. August 1893 Bundesratsbeschluss über Bekleidung, Ausrüstung und Bewaffnung der Radfahrer
  • 16. Dezember 1894 Bundesratsbeschluss über Normalfahrräder
  • Am 11. Januar 1898 Revision des Bekleidungs- und Ausrüstungs-Reglement
  • Januar 1901 Erste Reparaturanleitung in den Dienstvorschriften
  • Am 12. April 1904 genehmigte der Bundesrat das Konkordat über eine einheitliche Verordnung betreffend den Motorwagen und Fahrrad-Verkehr.
  • Am 5. Juli 1904 genehmigte der Bundesrat die neue Verordnung betreffend die Fahrräder der Radfahrer-Abteilungen
  • Am 15. Februar 1907 genehmigte der Bundesrat die Vorschriften über Stellung, Requisition und Miete von Rädern und Motorrädern.
  • Am 9. November 1909 beschloss der Bundesrat die Erneuerung der Verordnung betreffend die Militärfahrräder
  • 1911 neue Truppenordnung in Kraft gesetzt
  • Am 16. Januar 1912 Verordnung betreffend Verwendung und Stellung von Fahrrädern durch Offiziere

Einteilung

Ab 1911 bildete man innerhalb der Infanterie (= grüne Truppen) eine eigene Radfahrer-Kompanie mit 900 Angehörigen.

1914 rückten bei Kriegsbeginn insgesamt 14 Radfahrerkompanien ein.

1925 hatte die Armee 6315 Radfahrer-Soldaten in 26 Kompanien.

Ab 1936 erfolgte dann der Wechsel von der Infanterie zu den leichten Truppen/(=Kavallerie gelbe Truppen) und gleichzeitig wurde die Radfahrer-Rekrutenschule von 22 Tagen auf 13 Wochen erhöht. Die Radfahrer umfassten nun 6 Bataillone (je 3 Kompanien und eine motorisierte Lmg-Kompanie).

Um 1939 war der Sollbestand der Radfahrer um 9000 Mann

Nach 1945 wurde der Bestand der Radfahrer infolge der Motorisierung stetig reduziert.

1947 kam eine neue Truppenordnung. Nun gab es neun Radfahrer-Bataillone.

1949 wurden die Radfahrer den leichten Brigaden zugewiesen. Neu gab es 3 Radfahrer-Regimenter.

1961 wurden die 3 Radfahrer-Regimenter direkt dem Feldarmeecorps unterstellt.

1962 waren die Radfahrer als Korpstruppen den mechanisierten Divisionen zugeteilt (Kavalllerie, Radfahrer, Motorradfahrer, motorisierte Truppen, Transporttruppen, Motorrad-Dragoner, und einige Panzerbesatzungen)

1962 erfolgte die Abschaffung der Radfahrer-Landwehr-Truppen

1965 bekommten die Radfahrer einen eigenen Einsatz-Doktrin. Radfahrerverbände kämpfen grundsätzlich wie Infanterieverbände. .Sie sind vielseitig verwendbar. Ihre Feuerkraft entspricht annähern derjenigen der Infanterieverbände.

Als 1972 die Kavallerie-Einheiten aufgelöst wurden, gab es damals 9 Radfahrer-Bataillone. Die einzelnen Radfahrer-Regimenter wurden mechanisierten Divisionen zur Ausbildung zugeteilt. So zum Beispiel das Radfahrer-Regiment 6 von 1962 – 1994 der Mech Div 11 und dann von 1995 – 2003 als Verband der F Div 7.

31.12.2003 Anlässlich der Armee-Reform XXI Abschaffung der Radfahrer-Truppe (insbesondere wegen Fehlens von Splitterschutz und moderner Sensortechnik)

Truppenordnung 1936

1936 wurden die Radfahrer von der Infanterie weggenommen und der Kavallerie unterstellt. Aus grün wurde eine gelbe Truppe. Die neue Truppenordnung schuf so eine «leichte Truppe» welcher die Kavallerie, die Radfahrer und die motorisierte leichte Truppe angehörten., Die Radfahrer bildeten 6 Baraillone mit je 3 Kompanien und einer motorisierten Lmg-Kompanie.

1965 eigene Einsatzdoktrin

1965 bekamen die Radfahrer-Truppen eine eigene Einsatzdoktrin mittels Reglement «Der Einsatz und die Ausbildung der Radfahrerverbände». Sie hatten nun folgende Aufgaben zu lösen:

Einsatz als schnelle Reserve zum Abriegeln von kleinen Fronteinbrüchen, zum Eindämmen von Durchbrüchen und zum Kampf gegen Luftlandungen. – Deckungsaufgaben in panzerungünstigem Gelände – Kampf um Zeitgewinn.   –  Die Radfahrerverbände kämpfen grundsätzlich wie Infanterieverbände.

Armee-Reform 95

Mit der Armee-Reform 95 schuf man 3 Radfahrer-Regimenter (Nr. 4, 5 und 6). Das Regiment 4 umfasste den westlichen Teil der Schweiz, das Regiment 5 das Mittelland und das Regiment 6 die Ostschweiz. Jedes Regiment hatte 3 Radfahrer-Bataillone (Nr. 1 – 9). Dabei wies ein Radfahrer-Bataillon rund 500 Wehrmänner auf, verteilt auf mehrere Radfahrer-Kompanien und ihre Züge.

Rdf-Regiment 4
Batallion Cycliste 1
Radfahrerbatallion 2
Radfahrerbatallion 7

Rdf-Regiment 5
Radfahrerbatallion 3
Radfahrerbatallion 4
Radfahrerbatallion 8

Rdf-Regiment 6
Radfahrerbatallion 5
Radfahrerbatallion 6
Radfahrerbatallion 9

Die einzelnen Bataillone gliederten sich in Kompanien. wobei die meisten davon Kampfkompanien waren. – Nebst der Stabskompanie, die der Führung, Sicherung, Versorgung und Logistik verantwortlich war und der Sanitätskompanie, gab es die Kampfkompanien mit Radfahrern, ausgerüstet mit Panzerfäusten und Maschinengewehren, mit Panzerabwehrlenkwaffen, mit leichten Minenwerfern, mit schweren Minenwerfern sowie Panzerjäger mit Piranha-Fahrzeugen, – Jede einzelne Kompanie war dabei in mehrere Züge aufgegliedert, die spezielle Aufgaben hatten.

Die Radfahrer hatten nun innerhalb der Armee die Aufgabe der Überwachung und Sicherung von grösseren, truppenleeren Räumen. Flankenschutz für Panzerbrigaden. Orts- und Häuser-Kampf sowie Bewachung und Überwachung wichtiger Objekte.  –  Die Radfahrer bekamen eine neue Kampfbekleidung, ein neues Sturmgewehr und man führte die Panzerfaust ein.

Im Verlaufe der Zeit bekamen die Radfahrer hochtechnische Geräte, wie z.B. Nachtsichtgeräte, Restlichtverstärker, Simulatoren, Funkstationen, usw. Dies bedingte, immer grösseren Ausbildungszwang und dadurch effizientere Ausbildungspläne. Dies auf Kosten längerer Verschiebungen per Rad. Schlussendlich blieben pro Wiederholungskurs nur noch 1-2 echte Radmärsche.

Um die Mitte der neunziger Jahren bekommen die Radfahrer endlich ein eigenes Truppengattungsabzeichen (ein symbolisiertes Speichenrad unter den gekreuzten Gewehren), das sie von den Füsilieren optisch abhob.

Armee-Reform XXI

Ende der Fahrrad-Truppen

Anlässlich der Armee-Reform XXI (Reduktion des aktiven Truppenbestandes von 360 000 auf 120 000 Wehrpflichtige) wurden in den Reihen der zuständigen Militärführung schon sehr früh diskutiert, ob es für die Radfahrer noch im neuen Armee-Leit-Bild einen Verwendungszweck hat. Es gab zwei Alternativen. Entweder Umrüstung der Radfahrer in Richtung Kampfwertsteigerung und Splitterschutz um im mechanisierten Gefechtsfeld auch zukünftig wie die Infanterie statisch im Einsatz stehen zu können. Oder aber dann die Abschaffung der Fahrrad-Truppe. Und weil das von den Radfahrern unter diesen Verhältnissen (verlangte volle Gefechtsfeld-Beweglichkeit) nie erreicht worden wäre, man konnte ja die Truppen nicht ins Gefecht von A nach B schicken, musste man einsehen, dass die Radfahrer in der Armee XXI keinen Platz mehr hatte. Daher wurde entschieden, die Fahrrad-Regimenter 4, 5 und 6 aufzulösen. Am 27. Februar 2001 wurde dies offiziell von Verteidigungsminister Samuel Schmid per 1. Mai 2003 angekündet. – Die Felddivision 5, der auch das Rdf.Rgt. 5 angehörte, wurde 2003 ebenfalls aufgelöst.

Am 1. Mai 2003 hatte als letzter Radfahrer-Verband das Radfahrer-Regiment 5 seine Schlussmanöver. Dann wurde die gesamte militärische Fahrrad-Truppe aufgelöst und die erst 10 Jahre alten und gut erhaltenen Fahrräder samt Zubehör ausgemustert

Die ehemaligen Radfahrer-Angehörigen fanden nach der Auflösung der Radfahrer-Truppen insbesondere bei der Mechanisierten Infanterie, den Mechanisierten Aufklärern und bei den Panzergrenadieren Anschluss.

Schlussgesang

Adieu treues Ordonnanzrad, adieu du Nostalgie,
Motoren sind nun in und das Radfahren nur noch Historie !
Hier ziehen die einst sehr tüchtigen Radfahrer-Mannen
als Pedailleure und verschworene Einheit endgültig von dannen.
Einmal Radfahrer, immer Radfahrer, Herr Oberst bitte sehr,
der Spruch hat nun leider in Zukunft keine Gültigkeit mehr.
Was zurück bleibt sind schöne Erinnerungen an verflossene Zeiten
und die Gedanken, die nun halt etwas Wehmut bereiten.
Doch Kameradschaft, Freundschaft bleiben über den Dienst hinaus bestehen.
Das soll so sein und das soll man auch weiterhin deutlich sehen.
Das Militärvelo, es bleibt einem nun auf immer als eigen,
das benützt man auch weiterhin privat und tut sich damit gern zeigen.
Meine Truppe, meine Einheit ist leider heute so nicht mehr existent
Doch die Identifikation zu ihnen bleibt in mir unauslöschlich, immer, latent !
Ich war einst bei den stolzen Militär-Radfahrern, so lautet mein Credo.
Und das gilt und bleibt auch in Zukunft unauslöschlich immer so
Ob Velosturz, Panne, Wadenkrampf oder einen starken Kater,
ob kein Schlaf, dauernd unterwegs oder sonst eine grosse Marter;
in Erinnerung zurück bleibt dem Radfahrer dienstlich nur ein Gedanke, der Clou,
Ich war Militärradfahrer, Gott sei dank, ich gehörte dazu !

Quelle: unbekannt

Finale

Das Radfahrer-Regiment 5 absolvierte als letztes der drei militärischen Radfahrer-Einheiten ihren WK 2003 im April/Mai. Bei WK-Ende am 1. Mai 2003, nachmittags, wurde in Viererkolonne vorbei am Kommandanten der Felddivision 5, Divisionär Paul Müller, in Sempach (beim Schlacht-Denkmal) ein Difilee durchgeführt. Das war der letzte militärische Einsatz einer Radfahrer-Einheit in der Schweizer Armee. Seither gibt es keine Militär-Radfahrer und kein Radeln nach Dienstbefehl mehr..

Radfahrer des Rdf.Rgt. 5 auf der letzten dienstlichen Fahrt in Sempach kurz vor der Liquidation ihrer Einheit ! Was sagte doch einst Oberst René Fischer (Kommandant Rdf.Rgt. 5) so schön über seine Truppe: «…einmal Radfahrer, immer Radfahrer…»


Bericht zur Auflösung der Rdf-Truppe nach der Jahrthausendwende:
Quelle: Velojournal, Ausgabe November/Dezember 2003

By Bruno Schmucki

Die Schweizer Armee soll zu einer schlagkräftigen Hightech-Truppe umfunktioniert werden. «Folkloristische» Elemente wie die Radfahrertruppen haben darin keinen Platz mehr. Im Frühling dieses Jahres hiess es für über tausend Velosoldaten zum letzten Mal «Abtreten!».

«Stell dir vor, es ist Krieg, und alle kommen mit dem Velo». Die leichte Abänderung des populären Brecht-Zitats macht drastisch klar, dass den uniformierten und bewaffneten Velofahrern jene Ernsthaftigkeit fehlt, auf der jede kriegerische Abschreckung basiert. Selbst die militärische Sprachregelung, die den Begriff «Velofahrer» konsequent ächtet und stets durch «Radfahrer» ersetzt, kann den gewünschten martialischen Eindruck nicht herstellen. Zu diesem Schluss scheint auch die Schweizer Regierung gekommen zu sein. So verkündete Verteidigungsminister Samuel Schmid am 27. Februar 2001 offiziell, dass die über 110-jährige Truppengattung im Rahmen der Umstrukturierungen zur Armee XXI kurzerhand abgeschafft werde. Die Betroffenen selber – die passionierten Radfahrersoldaten – nahmen den Entscheid eher gelassen entgegen. Der erwartete grosse Aufschrei blieb aus.

Martin Gubler beispielsweise, Kommandant des letzten Radfahrerregiments der Schweiz, erklärte im vergangenen Juni gegenüber der «SonntagsZeitung»: «Wir Radfahrer haben den Entscheid, der schon vor zwei Jahren fiel, mit sportlicher Haltung akzeptiert.» Da und dort beklagen sich zwar noch Einzelne in den Gästebüchern der einschlägigen Internetseiten über das schnelle Ende der mobilen Truppe. So der St. Galler Chris Neff auf der Homepage des Radfahrerregiments 6: «Meines Erachtens ist es eine Schande, die Radfahrer abzuschaffen. In Kriegsfällen würden wir sowieso nicht mit dem Rad zum effektiven Einsatz gelangen. Doch die Ausbildung als Radfahrer garantiert eher, dass die Soldaten ein körperlich höheres Leistungsniveau erreichen als Fusssoldaten. Ich bin echt enttäuscht, dass das stolze Aushängeschild der Schweizer Armee ins Alteisen geworfen wird.»

Doch in einem Land, wo 1972 über 400’000 BürgerInnen eine Petition für den Erhalt der Armeekavallerie unterschrieben haben, wo 1995 die Freunde der Armeebrieftauben – zwar erfolglos – eine «Volksinitiative für eine Schweizer Armee mit Tieren» lancierten und wo die Bauernlobby mit entsprechendem Druck dafür sorgte, dass es auch in der modernen Armee XXI Militärpferde-Truppen (den so genannten «Train») gibt, ist dieser Widerstand schwach. Fast ein bisschen lendenlahm für eine so sportliche Truppe.

Stille Leidensfähigkeit

Das grösste Potenzial der Radfahrertruppen scheint ohnehin deren stille Leidensfähigkeit zu sein. Denn der Dienst als Radfahrersoldat war verdammt hart. Bis in die neunziger Jahre hatte das Schweizer Militärvelo – das so genannte «Ordonnanzfahrrad 05» aus dem Jahre 1905 – keine Übersetzung und nur eine Rücktrittbremse hinten. Selbst nachdem vor zehn Jahren ein neues Velo mit sieben Gängen abgegeben wurde, waren Steigungen mit dem 24 Kilo schweren Vehikel und Gepäck von 15 Kilo eine Tortur.

Aber ein Radfahrersoldat kannte keine Müdigkeit. Durchhalten war Ehrensache. Radfahrerkommandant Gubler in der «SonntagsZeitung» zum Thema Schmerzen am Allerwertesten: «Jeder schwört auf eigene Mittelchen und Sälbeli. Viele tragen unter der Uniform gepolsterte Rennhosen. Spezielle Sättel sind nicht erlaubt. Das Hinterteil hat sich durch Training dem Sattel anzupassen.»

Der gestandene Radfahrer-Soldat und Berner IG- Velo-Sekretär Daniel Bachofner trauert seiner Fitness nach: «Ich war körperlich nie so fit wie nach der Rekrutenschule. Die haben mit uns ein eigentliches Trainingsprogramm veranstaltet.» Eine Bekannte erzählte mir allerdings unter dem Siegel der Verschwiegenheit, dass ihr Mann jeweils mit einem spitzen Nagel in der Brusttasche in den militärischen Wiederholungskurs eingerückt sei. Damit habe er sich und seinen Kameraden während langen Fahrten immer wieder eine willkommene Pause verschafft, weil sie einen defekten Veloschlauch flicken mussten …

Die Schweizer Armee kannte seit 1891 velofahrende Soldaten. Französische und italienische Generäle hatten bereits ein paar Jahre zuvor den militärischen Nutzen des flinken und lautlosen Zweirads für Meldefahrten entdeckt. Die neue Truppengattung stiess allerdings anfangs auf Skepsis und Ablehnung, vor allem bei der hochnäsigen Kavallerie. Und im Geschäftsbericht des Eidgenössischen Militärdepartements von 1895 findet sich die folgende Passage: «Die Radfahrer zeigten sich zum Teil als zu wenig discipliniert und in der Ausübung ihres Dienstes nicht zuverlässig genug.» Und als erklärender Zusatz: «Dank der Schnelligkeit ihrer Stahlrosse waren unsere Radfahrer meist sehr rasch den Blicken ihrer Obersten entschwunden und hatten sich in den Wirtshäusern eingenistet, aus denen sie nicht so leicht wieder herauszubringen waren.»

Ersatz für die teuren Pferde

Ein weiteres Problem war die Uniformierung der Radler. Denn statt robuster Wollstoffe war leichtere und bequeme Kleidung gefragt. Als Bewaffnung musste zudem eine Pistole genügen. Die Hauptaufgabe der Truppe bestand darin, Verbindungen zwischen einzelnen Kommandostellen zu garantieren. Im Jahr 1910 verfügte der Bundesrat in einer Verordnung, dass dem Fahrrad innerhalb der Armee noch mehr Beachtung geschenkt werde: «Auf ebenen Strecken und bergab gewährt es für die Bewegung Vorteile in Bezug auf Leistung und Billigkeit, die durch kein anderes Beförderungsmittel zu erreichen sind.» Dank dem Fahrrad sollte zudem die Zahl der in Unterhalt und Pflege ungleich teureren Kavalleriepferde möglichst niedrig gehalten werden. Zur Generalmobilmachung beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs (August 1914) rückten dann die 14 Radfahrerkompanien bereits als «kämpfende» Truppe ein. Die Radfahrersoldaten wurden wie die Füsiliere mit einem langen Karabinergewehr ausgerüstet. Allerdings wurde die Kampfstärke der Radfahrer empfindlich durch eine ganz heimtückische Materialknappheit während der beiden grossen Kriege geschwächt: den Mangel an Gummi für Pneus und Schläuche. So mussten die Truppen oft statt mit dem Velo zu Fuss ins Feld geschickt werden, um die raren Gummi-Ressourcen zu schonen.

Höhepunkt und Niedergang

Der Bestand der Radfahrertruppen wuchs in den folgenden Jahren immer stärker an. Um 1925 zählte die Schweizer Armee 6315 Radfahrersoldaten in 26 Kompanien. Ab 1926 wurden die Rekruten systematisch auf dem «Radfahrer-Waffenplatz» in der Velostadt Winterthur ausgebildet. Vor dem Zweiten Weltkrieg betrug der Sollbestand dann 9000 Mann. Die zunehmende Mechanisierung der Armee führte allerdings dazu, dass die Radfahrertruppen mit Motorradfahrern verstärkt wurden, die auf ihren Gefährten die schweren Maschinengewehre mitführten.

Nach 1945 wird die Zahl der Radfahrersoldaten angesichts der Motorisierung der Einheiten immer weiter reduziert. Die Truppengattung übersteht trotzdem noch verschiedene Armeereformen. International sind die velofahrenden Soldaten der Schweizer Armee schon längst zum militärischen Kuriosum geworden, was die hiesigen Militärs allerdings lange mit Stolz erfüllt hat. «Es ist eine typisch schweizerische Truppe, denn aus fast allen andern Armeen sind die Radfahrer wieder verschwunden. Das ist ein Grund mehr, ihr 100-jähriges Bestehen zu feiern», stellt der Waffenchef der mechanisierten und leichten Truppen, Divisionär Keller, in einem Vorwort zu einer Jubiläumspublikation fest.

Jetzt sind die letzten Radfahrersoldaten doch abgetreten, haben noch einmal in Achtungsstellung die geschundenen Arschbacken zusammengekniffen und sind radelnd in Viererkolonnen an militärischer Prominenz vorbeidefiliert. Die Truppengattung hat das 21. Jahrhundert nicht überlebt. So schlimm findet das eigentlich niemand.


Radfahrer-Persönlichkeiten

Eine grössere Führungsrolle hatte bei den Radfahrer-Truppen Jean-Pierre Leuenberger inne. Zuerst war er stellvertretender Kommandant und dann Kommandant der Radfahrer-RS 26/226, dann als Hauptmann Kommandant der Radfahrer-Kompanie. II/1, anschliessend als Major im Generalstab Kommandant des Radfahrer-Bataillon 1 und schlussendlich als Oberst im Generalstab Kommandant des Radfahrer-Regiments 4.

Oberst René Fischer gehörte 29 Jahre dem Radfahrer-Regiment 5 an, zu letzt war er deren Kommandant (Radfahrer aus dem Gebiet Zentralschweiz/Mittelland).

Der letzte Kommandant des Radfahrer-Regiments 6 (Gebiet Ostschweiz = Zürich, Schaffhausen, Thurgau, St. Gallen, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrohoden) war Oberst im Generalstab Martin Gubler mit seinen drei Bataillons-Kommandanten Oberstlt. i.Gst. Fredy Kelller (Rdf.Bat.5), Oberstlt. i.Gst. Willy Brülisauer (Rdf.Bat.6) und Oberstlt.. Markus Wintsch (Rdf.Bat.9)..

Am Beispiel des Radfahrer-Regiments 6 noch einige ehemaligen Regiments-Kommandanten:: Brigadier Robert Gubler, Brigadier Peter Keller, Brigadier Urs-Peter Ramser, Oberst i.Gst. Heinz Baumgartner, Oberst i.Gst. Peter Grüter, Oberst Heinz Keller, Oberst Anton Reinhart, Oberst Eduard Sauer, Oberst i.Gst. Georg Staub, Oberst i.Gst. Kurt Widmer und am Schluss Oberst i.Gst. Martin Gubler

Insgesamt sind 20 ehemalige Kommendanten von Radfahrer-Regimentern in die Generalsränge aufgerückt. Nämlich zum Korpskommandanten René Dubois, Adolf Hänslin, Eugen Studer und Fritz Wille. Zu Divisionären Denis Borel, Hans Eichin, Hubert Hilbi, Christian Schlapbach, Andreas Schweizer, Hans Trautweiler, Carl Weidenmann,. Und zu Brigadiers Jean-Francois Corminboeuf, Bruno Deslarzes, Hans Fischer, Peter Keller, Ernst Müller, Urs Peter Ramser und Arnold Soutter. Zum Generalstabsoberst Martin Gubler und Jeam-Pierre Leuenberger.

Raymond Schaller (rechts) war von 1944 bis 1990 Konstrukteur bei der Firma Condor SA, Courfaivre, und hatte dort ab 1944 alle Zweiradkonstruktionen verantwortlich mitbetreut. Schaller sagte aus, dass die Militärvelo meistens im Winterhalbjahr gebaut wurden, damit auch in dieser Jahreszeit die Fahrrad-Produktion der Firma ausgelastet war.

Militär-Radfahrer und Politik

Bundesrat und Ordonnanzrad zum ersten

Kaspar Villiger war 1982 – 1989 Inhaber der Fahrradfabrik Villiger AG in Buttisholz. Ab 1989 und bis 2003 wurde er als Bundesrat gewählt. Er musste deshalb bei Amtsantritt als Bundesrat 1989 seine Fahrrad-Fabrik, die ab 1993 auch an der Herstellung des Ordonnanzrades MO 93 beteiligt war, seinem Bruder Heinrich verkaufen.

Bundesrat und Ordonnanzrad zum zweiten

Ueli Maurer war einer der ehemalig höheren Militär-Radfahrer (Major des ehemaligen Radfahrer-Bataillon 5) und ist nun seit dem 10.12.2008 Bundesrat. Er stand zwischen 2009–2015 dem Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) vor und seit 2016 dem Finanzdepartement.

Historische Radfahrer-Kompanie

Obwohl es seit 2003 offiziell keine militärischen Radfahrer-Einheiten mehr gibt, hat sich auf Anregung von Divisionär a.D Paul Müller (letzter Kommandant der F.Div 5) aus dem Kreis der ehemaligen Militär-Radfahrer eine Historische Radfahrer-Kompanie gebildet, die absolut identisch und vollständig wie zur Dienstzeit ausgerüstet ist (Uniform, Fahrrad, Bewaffnung der drei Epochen Ordonnanz 40, 61 und 90) und ihren Stützpunkt im ehemaligen Zeughaus Aarau hat. Sie führt ausserdienstliche und gesellschaftliche Anlässe durch.

Weitere Einzelheiten zur historischen Radfahrer-Kompanie siehe hier


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